PROBE B

HINTER VERSCHLOSSENER TÜR

 

(...)

 

88. WALD – AUSSEN/TAG                                                                       

Zusammen mit seinem Arztfreund JOACHIM läuft Patrick Wagner (der Familientherapeut) durch einen Wald einen Trimm-dich-Pfad entlang.

 

JOACHIM

Klar! Geheimhaltung, mein Freund!

Bei mir ist es noch schlimmer.

Ich muss sie anfassen, einrenken,

bis es knackt ...

 

Patrick Wagner verzieht im Laufen mitfühlend das Gesicht.

 

JOACHIM

(fährt fort)

... Und manchmal lehnen sie sich 

so hilflos gegen mich. Sehen mich

mit so flehenden Augen an. Da bin

ich dann völlig berauscht ...

 

Patrick Wagner nickt ihm wieder zustimmend zu.

 

JOACHIM

Hab schon mehrere gehabt.

 

PATRICK WAGNER

Aber du sprichst jetzt nicht nur von

deinen Patientinnen?

 

Joachim grinst. Patrick Wagner hüpft über Hindernisse.  

 

JOACHIM

(schnaubend)

Wir beide sind nun mal in gewissen

Positionen. Haben Macht. Sind reich.

Wir können sie eben alle kriegen! Oder?

 

Patrick Wagner bleibt abrupt stehen, sieht ihn befremdet an. Joachim LACHT, steigt auf ein Rollband, hält sich an den Seitenstangen fest, läuft.

 

JOACHIM

Und die, die uns mit Moral oder

Ethik kommen ... Die sind doch nur

neidisch!

 

Patrick Wagner sieht verstört auf seinen Freund. Joachim springt wieder hinunter, klopft ihm auf die Schulter, LACHT wieder. Patrick Wagner versucht MITZULACHEN, es gelingt nicht.

 

PATRICK WAGNER

(ernst)

Aber was wäre, wenn ich mich

ernsthaft verliebt hätte?

 

Joachim gibt ihm einen kumpelhaften Hieb in die Seite.

 

JOACHIM

              Ach, was! Zwei, drei Mal! Dann merkst 

              du, sie ist auch nicht anders!

 

Er läuft weiter. Patrick Wagner bleibt nachdenklich zurück.

 

 

89. STRASSE- AUSS./ABEND    

                          

Inzwischen dämmert es. Mona drückt auf Patrick Wagners Klingel am Praxishaus, wartet. Niemand öffnet. Da sieht sie ihn im Jogging-Dress aus seinem BMW steigen. Er ist verschwitzt. Zügig geht sie auf ihn zu.

 

PATRICK WAGNER

Du bist zu früh! Was hast du denn?

 

MONA

Benny ist verschwunden.

 

PATRICK WAGNER

Mach dir nicht so viele Sorgen.

Der sitzt irgendwo quietschfidel

mit einem Mädchen zusammen.

Und hat die Zeit vergessen.

 

Mona sieht verstimmt aus.

 

PATRICK WAGNER

Ich glaube, Du musst ihn ein bisschen

mehr loslassen. Mein Engel. Jetzt

komm erst mal hoch.

 

Er greift nach ihrer Hand. Mona zögert, geht dann mit, doch bleibt distanziert.

 

MONA

 Hast du’s deiner Frau gesagt?

 

Patrick Wagner zuckt erstaunt, schüttelt verneinend den Kopf. Mona presst die Lippen enttäuscht zusammen.

 

(...)

 

91. PRAXIS - INN./NACHT                                                                     

THERAPIE-ZIMMER. Mona sitzt in ihrem Sessel Patrick Wagner gegenüber. Er sieht frisch geduscht aus, hat sich umgezogen.

 

PATRICK WAGNER

Erzähl mir von deinen Wunschvorstellungen.

Deinen intimen Sehnsüchten ...

 

Mona sieht ihn nur an: Alles in ihr sträubt sich.

 

MONA

     (flüstert)

Hab’ einfach Angst, dass was mit

Benny passiert ist.

 

Patrick Wagner steht ungeduldig auf.

 

PATRICK WAGNER

Mona. Ich weiß nicht. Du musst

dringendst mehr entspannen.

 

Sie gehen in das BÜROZIMMER. Er schlägt die Bettdecke auf dem ausgeklappten Sofa auf, zupft sorgfältig das Kissen zurecht. Mona sieht zur Tür, sie will das jetzt nicht.

 

Patrick Wagner nimmt seine Kravatte ab. Mona zieht ihre Haarspange aus den Haaren, legt sie auf die Bettdecke. Sie wirkt abwesend, fühlt sich nicht wohl. Plötzlich wird sie wütend.

 

MONA

Nein. Ich geh jetzt. Und wenn er

dann nicht zu Hause ist, ruf ich die

Polizei. Das ist nicht normal, dass

er nicht erreichbar ist!

 

Es KLINGELT in der Praxis. Mona zuckt, Patrick Wagner geht zur Tür. Da hört Mona plötzlich BENNYS STIMME hinter der Tür.

 

BENNY (OFF)

Das Auto meiner Mutter steht unten.

 

PATRICK WAGNER (OFF)

Was willst du denn hier?

 

BENNY (OFF)

Ich hol’ meine Mutter ab!

 

Erleichtert öffnet Mona die Tür, läuft freudig auf Benny zu. Und lässt die Tür offen stehen.

Benny erstarrt geschockt. Sein Blick zielt geradewegs auf das ausgefahrene Sofa mit der aufgeschlagenen Bettdecke vis-a-vis.

 

 

92. MONAS AUTO/STRASSE - INN./AUSS./NACHT                                       

Mona und Patrick Wagner fahren durch die Nacht Benny hinterher. Die Rücklampen seines Fahrrads leuchten. Mona sitzt am Steuer. Ihre Körperhaltung, ihr Fahrstil zeigen größte Angst und Anspannung. Es ist Vollmond.

Mona lässt das Fenster hinunter. Endlich, auf gleicher Höhe:

 

MONA

Halt an, Benny! Lass uns reden!

Bitte!

 

Benny rast weiter, waghalsig. Mona folgt ihm. Er verschwindet zwischen den Autos, biegt in einen schmalen Weg ein.

 

 

93. MONAS AUTO/STEILE STRASSE - INN./AUSS./NACHT                                                 

Mona parkt in der schmalen, steil nach unten gehenden Straße. Patrick Wagner holt eine Taschenlampe aus dem Handschuhfach. Zügig steigen sie aus.

Mona und Patrick Wagner laufen mit der Taschenlampe die Straße hinab.

 

 

94. ISARAUEN/BRÜCKE - AUSS./NACHT                                                                                                        

Mona läuft den Kiesweg am Isarkanal Richtung FUßGÄNGERBRÜCKE entlang. Patrick Wagner läuft mit, leuchtet. Sie kommen zu der Fußgängerbrücke. Der Vollmond taucht die Szenerie in ein milchiges Licht.

Patrick Wagner leuchtet die Gegend ab. Da entdeckt Mona Bennys Fahrrad vor der Treppe zur BRÜCKE hoch.

 

MONA

(voller Sorge)

Benny! Ich weiß, du bist hier!

 

Schnell steigen sie die Treppe hoch. Jetzt ist zu erkennen, dass Benny mitten auf dem Geländer der Brücke sitzt. Erschrocken geht Mona näher auf ihn zu.

 

MONA

Benny. Tu das nicht.


Benny springt. Ein LAUTES AUFKLATSCHEN. Er ist im Kanal gelandet. Mona springt hinterher.

Patrick Wagner braucht ein paar Sekunden, dann rennt er los.

 


95. KANAL/DEICH - AUSS./NACHT                                                                                                                          

Mona schwimmt durch das kalte schwarze Wasser Benny nach. Er hat den Ausstieg verpasst. Die Strömung treibt ihn zu schnell nach vorne. Mona versucht, mit all ihrer Kraft, in seine Richtung zu kraulen.

 

MONA

(schreit)

An den Rand! Ans Ufer, Benny!

 

Währenddessen rennt Patrick Wagner den Deich Richtung Wehranlage entlang. Er muss schneller, als die Strömung sein.

 

Mona schwimmt kraulend hinter Benny her, versucht, ihn zu erreichen. Benny schluckt Wasser. Mona bekommt, ihn zu packen. Sie hält seinen Kopf hoch und hilft ihm, an der Oberfläche zu bleiben.

 

Patrick Wagner erreicht die Wehranlage. Ein Maschendrahtzaun vor ihm. Es geht nicht weiter. Er sieht eine Steintreppe, die den Abhang hinunter zum Kanal führt. Er läuft sie hinab.

 

Er rutscht vom Steinpodest in das eiskalte Wasser des Kanals, RUFT. Er kann noch stehen.

Mona und Benny versuchen mehr und mehr an den Rand der Böschung zu kommen. Auch Mona schluckt Wasser. Da sehen sie zwei Hände, die sich ihnen entgegen strecken. Mit letzter Kraft drückt Mona Benny in Wagners Richtung.

 

Benny greift zu, Patrick Wagner zieht ihn aus der Strömung und hilft ihm auf das Podest hoch. Auch Mona schafft es.

Völlig entkräftet und aus allen Fasern triefend sinken Mona und Benny auf die Steine. Mona umklammert WEINEND Benny.

 

MONA

Mach das nie wieder! Warum hast du

das gemacht?

 

Auch Benny WEINT. Da schiebt er plötzlich Mona von sich.

 

BENNY

 Ich zieh jetzt zu Papa.

 

 

(...)